Es ist nicht so, dass wir nicht genügend Zeit hätten, oft nutzen wir sie nur nicht richtig

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Challenge Roth 2021

Veröffentlicht von Holm Große (holm) am 16.09.2021
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7 (nicht) auf einen Streich-meine 7. Langdistanz eine ganz Besondere

 

5.9.21, 7:35 Uhr- der Startschuss fällt und ich habe es tatsächlich geschafft an der Startlinie, nein eigentlich an der Wasserlinie zu sein und mich im Main Donau Kanal bei 18 Grad Wassertemperatur und 8 Grad Außentemperatur im Neo mit 2 Badekappen auf dem Kopf auf eine sportliche Reise zu begeben.

 

Tatsächlich beginnt diese Reise eigentlich am 28.6.2020 nachdem ich mich, nach einem Radunfall, mit quer durchtrennten Quadrizeps femoris knapp unterhalb der Hüfte im OP-Saal wiederfinde. Zu dem Zeitpunkt weiß ich ehrlich gesagt nicht was dies bedeutet. Irgendwann zu Hause, mit komplett steifem Bein, realisierte ich irgendwann es wird ein steiniger Weg zurück zum Sport. Ich war definitiv nicht bereit für die „Sportrente“ also kämpfte ich.

Sofort nach Freigabe der Ärzte mich jetzt wieder bewegen zu dürfen, legte ich meine komplette Energie in das Reha Programm. Erstmal wieder gehen lernen, immer und immer wieder ging ich wandern, um das Bein an die Belastung zu gewöhnen, die Schmerzen im Bein waren mein ständiger Begleiter, in Ruhe wie in Bewegung, mal mehr mal weniger, der Arzt hatte mich darauf gut vorbereitet, ich musste lernen Geduld zu haben, neue Nervenbahnen brauchen zwischen 300-500 Tage, um sich neu zu bilden. Irgendwann konnte ich 1km joggen. Die Schwimmhallen waren mittlerweile geschlossen, was mich sehr traurig machte, so war es doch das Schwimmen, welches zumindest mit Pull Boy und ohne Beinschlag, ganz gut funktionierte. Mein Wiedereinstieg auf dem Rad bestanden aus genau 5min auf der Rolle bei 90 Watt und ich konnte mir nicht vorstellen jemals wieder auch annähernd die Wattwerte zu treten wie vor dem Unfall. Es wurde kälter und die Probleme beim Laufen immer größer, Krämpfe im Beinbeuger, weil der Beinstrecker schnell schlapp machte, die Reizweiterleitung funktionierte nicht, sodass mir das Bein immer mal wieder „weg schlenkerte“ also letzter Ausweg Laufband, die Belastung für das Bein war dort nicht so groß und so war ich in der Lage, kontinuierlich, zu laufen, keine großen Umfänge aber kontinuierlich. Aufgeben, nein, warum auch, ich steckte sehr viel Energie ins Training, speziell in den Wintermonaten ins Rollentraining, Zwift macht es ja auch sehr abwechslungsreich und so standen am Ende der Indoor-Saison mehr virtuelle km als jemals zu vor und etliche auch recht lange EH, die längste war 5:30h, sehr viele virtuelle HM, Intervalle und im Mai dann sogar eine neue FTP.

Es gab immer mal wieder gesundheitliche Probleme/Rückschläge, das Bein wollte einfach nicht so wie mein Kopf & meine Motivation und trotzdem sammelte ich km für km, ich kämpfte und Holm bastelte immer weiter unermüdlich am Trainingsplan, bewies viel Geduld mit mir, ignorierte einfach meine Zweifel, wenn es mich weiterbrachte, er manövrierte mich durch alle Höhen & Tiefen und bremste mich, wo er nur konnte. Nur das Gefühl, das ich bereit war, sollte sich nicht einstellen, urplötzlich am 9.8. war es da, einfach so, ich war bereit und konnte es kaum noch abwarten.

Die Zeit verging und mein Tag kam, ich war positiv nervös, ich fühlte das das Tapering in der letzten Woche nicht optimal war, die Beine fühlten sich irgendwie schwer an, auch mein linkes Bein schwoll wieder mehr an, erstaunlicherweise beunruhigte mich dies nicht, ich war mir ziemlich sicher am Ende des Tages werden sie sich bedeutend schlechter anfühlen.

 

Pünktlich 7:35 Uhr fiel der Kanonenschuss für die 2. Frauenstartwelle, ich wusste kaltes Wasser und mein Kreislauf, scheint keine Liebe auf dem ersten Blick zu sein, also begann ich erstmal sehr verhalten und versuchte mein Rhythmus zu finden, das kalte Wasser zeigte ab 2km seine Wirkung, die ersten Krämpfe stellten sich ein, gegen Ende der Schwimmstrecke erhöhte ich die Beinschlagfrequenz um den Kreislauf vorzubereiten, der Schwimmaustieg sollte sich dann trotzdem als erste Herausforderung des Tages erweisen, ich hatte die helfenden Hände beim Ausstieg erreicht aber mein Kreislauf versagte, sodass erstmal 2 Helfer mich eine Weile im Wasser festhalten mussten, nein das war nicht mein Plan, definitiv wollte ich hier nicht das Rennen beenden. Gefühlt nach einer Ewigkeit konnte ich mich zumindest erstmal bis zum ersten Gitter bewegen, mit dem festen Willen, auf die Radstrecke zu gelangen. Irgendwie durch die Wechselzone gestolpert, rauf aufs Rad, meiner Tochter noch gesehen und los ging’s. Schon recht kühl auf dem Rad, schaute ich erstmal was der Kreislauf so sagte und versuchte kontrolliert zu starten. Ein Blick auf den Garmin zeigte mir, dass ich mich momentan bei 77 % der FTP bewege, also weiter etwas rausnehmen. Ich behielt die Wattwerte im Auge, verpflegte mich regelmäßig und ich fühlte mich richtig wohl auf dem Bike. An den Anstiegen versuchte ich die Peaks so gering wie möglich zu halten, um so wenig wie möglich Energie zu verschwenden. Als Spreewaldgurke gar nicht so einfach, mehr und mehr merkte ich, es lief super. Bis ich auf einmal von der Seite einen Pfiff hörte und eine gelbe Karte sah, meine erste überhaupt!!! Wahrscheinlich wegen Überfahrung der Mittellinie beim Überholen, okay dann eben anhalten an der nächsten Penalty Box, dort angekommen war ich mir sicher gelb=1min aber nix, 5 min sollte ich dort verbringen, bis nach mehrmaligen Nachfragen meinerseits, dann es dann doch nur 1min sind. Okay die 5min waren jetzt eh vorbei, wieder rauf aufs Rad, kurz mal geärgert und weiter ging’s, ich fühlte mich immer wohler auf dem Rad, die Temperaturen waren mittlerweile auch für mich Frostbeule ganz angenehm und so ging es in die 2. Runde, die Anstiege fand ich auf einmal gar nicht so schlimm und in den Abfahrten wurde ich immer mutiger und es ging tatsächlich bis zu 61km/h, wahrscheinlich nur paar Sekunden geradeaus, alles andere, für mich auch unvorstellbar, ich fühlte mich wohl in der Aeroposition und bemerkte wie ich so nach und nach immer mehr Leute überholte, nicht weil ich so wahnsinnig mehr Watt trat als die anderen, sondern weil ich immer noch recht entspannt in meiner Aeroposition fahren konnte, trotzdem behielt die Wattwerte im Auge, ich wollte nicht zu viel riskieren, der schwierigste Abschnitt, der Marathon, die absolute Wundertüte, wartete noch auf mich. Die Zeit verging wie im Fluge, ich bin beide Runden fast identisch gefahren, am Ende waren es 167km mit 1600 HM in 5:32h bei 72% der FTP und die 2. beste Rad Zeit in meiner AK.

An meinen Kreislauf hatte ich die gesamte Zeit keinen Gedanken verschwendet. Er sollte sich leider mit so einer starken Wucht beim Radabstieg zurückmelden, da war es wieder, mir wurde schwarz vor Augen. Nein ich hatte nicht monatelang gekämpft und alles gegeben, DNF war keine Option. Also erstmal Laufschuhe an und irgendwie loslaufen.

Rückwirkend betrachtet habe ich wahrscheinlich den klassischen Anfängerfehler gemacht, zwar konsequent meine KH aufgenommen aber Wasser zusätzlich zu wenig zu mir genommen, echt blöd.

Mir wurde klar, mein größter Wunsch, solide durch den Marathon zu kommen, wird mir verwehrt bleiben, egal was ich mental versuchte, sobald ich lief, wurde mir schwarz vor Augen, was mich jedes Mal zum Gehen zwang. Ich versuchte es immer und immer wieder, es sollte mir nicht gelingen auch nur 1km am Stück zu joggen. Ich kämpfte und kämpfte und tatsächlich der Gedanke aufzugeben, wurde immer stärker, der Marathon verlangte mir physisch & psychisch alles ab, teilweise war ich so erschöpft von diesem schwierigen Kampf, dass ich mich nur noch hinlegen und die Augen zu machen wollte, ich bin meiner sehr Tochter dankbar, sie hatte einen schweren Job an diesem Tag und irgendwann nach km 21 konnte ich es mental auch akzeptieren, Wandertag, dieses Wort, welches im Zusammenhang mit einer Langdistanz schwer zu akzeptieren ist, das was ich unbedingt vermeiden wollte, das wofür ich im Training so viele große Brocken aus dem Weg geräumt habe, ich nie den Willen verlor und auch viele Tränen geflossen sind. Es nützte nix, ich musste mich damit arrangieren, diese Erkenntnis tat so sehr weh und so versuchte ich immer wieder joggen/gehen. Mein Bein wollte schon lange nicht mehr so richtig mitmachen, immer wieder versagte es seinen Dienst, ich war mental darauf vorbereitet. Kurz vorm Ziel, bloß gut noch vorm Stadion, passierte es dann doch noch, ich stolperte auf dem rutschigen Teppich und lag auf der Nase. Ich habe gefinisht !!!

 

 

 

 

 

 

 

Zuletzt geändert am: 16.09.2021 um 11:23

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