Es ist nicht so, dass wir nicht genügend Zeit hätten, oft nutzen wir sie nur nicht richtig
Sag niemals nie-Challenge Roth mit Sylvia |
Veröffentlicht von Holm Große (holm) am 09.07.2018 |
Ohne jetzt zu sehr auf die sentimentale Schiene zu geraten, hoffe ich, sachlich ein paar Zeilen zu meiner zweiten Langdistanz bei der Challenge Roth 2018 formulieren zu können.
Fakt ist, daß ich nach meiner Langdistanz-Premiere nach 11h in Roth 2015 im September des gleichen Jahres eine Kollision mit einem LKW hatte. Dabei war mir das Glück hold und ich trug nur eine zermatschte rechte Ferse davon. Die Ärzte haben geschraubt und geflickt was ging und ich habe mit ordentlich Sportsgeist an der Wiederherstellung der Beweglichkeit gearbeitet. 2 Monate nach dem Unfall ging es mit einem speziellen Fußschutz ins Wasser zum Aquajoggen und Schwimmen. 4 Monate nach dem Unfall saß ich wieder auf dem Rad und noch einmal 2 Monate später konnte ich wieder nahezu humpelfrei Gehen. Als dann im Juni 2016 das Metall aus meinem Fuß entfernt wurde, konnte ich nach und nach eine Schippe draufpacken und hatte vor allem auf dem Rad und beim Schwimmen schnell Lust auf Training. Parallel habe ich regelmäßig an Kräftigung und Stabilität gearbeitet, bin wieder Klettern gegangen, zum Yoga, habe Surfen gelernt und 2 mal die Alpen auf dem MTB überquert.
Beim sportlichen Laufen ging es leider nicht so flüssig. Immer wieder zeigten mir meine Beine, daß sich an deren Achse einiges geändert hatte. Mehr als 10km am Stück wollten nicht so recht unter die Sohlen.
Trotzdem endete die Finishline-Party in Roth 2017 in einem "das kann ich oooch noch". Zur Not wird der Marathon eben gewandert. Schwups war ich für 2018 gemeldet und Holm erklärte sich bereit, den Sylvia-Körper wieder in Form zu bringen.
Einen kleinen Rückschlag gab es im Oktober 2017 als ich mit etwas zu viel Dynamik vom Rad in Richtung eines Werbeschildes abstieg und mir dabei das linke Schlüsselbein brach. Da musste dann auch noch ne Platte drüber. Offensichtlich wollte mein Körper den zweiten Ironman nicht ohne Metallunterstützung machen :-/. Nun ja, in Reha war ich ja nun geübt... Trotzdem habe ich sicherheitshalber mal die Rücktrittsversicherung bei der Challenge Roth abgeschlossen. Einarmig kann man aber gut schwimmen und auf der Rolle auch entspannt radeln. Laufen ging langsam auch wieder und so konnte ich am dritten Advent 2017 meinen ersten Halbmarathon seit den Unfällen nach reichlich 2h ins Ziel bringen. Den Winter und das Frühjahr über konnte ich wieder regelmäßig schwimmen und radeln, musste aber durch kleine Verletzungen noch einmal ordentlich an der verschobenen Beinachse arbeiten. Mit Alex an meiner Seite hatte ich einen geduldigen und motivierenden Partner, der es immer wieder verstand, mich zu beruhigen. An Motivation fehlte es mir dank einer ordentlichen Portion Sturheit irgendwie nie :-)
Ab April bekam ich dann von Holm einen komprimierten Plan auf drei Monate zugeschnitten und wie schon 2015 vertraute ich blind darauf. Ziel sollte sein, die Challenge Roth mit einem Lächeln im Ziel zu beenden. Die Laufumfänge waren auf das mindeste gestutzt und zusätzlich auf Intensitäten weitestgehend verzichtet, dafür wurde mehr gekoppelt. Die Generalprobe in Moritzburg auf der Olympischen Distanz lief hervorragend.
Als es dann Ende Juni wurde und ich mit meinen Edelsupportern (Alex, mein bester Freund und meine Eltern) nach Roth fuhr, blieb ich auch weiterhin cool und fühlte mich gut vorbereitet. Ich konnte alle Nächte gut schlafen und sogar in der letzten Nacht hatte ich 6 Stunden Schlaf gefunden.
Am Wettkampftag konnte ich auch vollkommen unaufgeregt das Procedere vor dem Rennen absolvieren und allen befreundeten Athleten ein schönes Rennen wünschen. Mit der ersten Damenstartwelle ging es in den Main-Donau-Kanal, leider mit Neo. Dieser engt um die Schulterpartie doch etwas ein und nach ca 2km signalisierte mir mein Schlüsselbein, daß ich Kraft rausnehmen muss, wenn es mich noch über 180km Rad stützen soll. Also stieg ich nach gemütlichen 1h12min aus den Fluten und konnte schön fix wechseln. Die ersten 30km auf dem Rad konnte ich gut nach den Leistungsvorgaben fahren, danach meldete sich jedoch mein Magen. Vielleicht doch ein wenig zu viel Kanalwasser? Egal, er wollte nicht mehr so richtig und mir wurde gut gehend übel. Um nicht auf den Garmin zu kotzen nahm ich Druck von der Pedale und radelte so gemütlich bis km140, schließlich galt es zwei Mal mit einem Gänsehaut-Wein-Lachen den Solarer Berg zu erklimmen, wo mein Magen nach dem zweiten Mal mit einem Grummeln weiteren Vollzug meldete und ich endlich gut Gel rein bekam. So drückte ich mich dann doch noch in glatten 6h zur zweiten Wechselzone und ließ mir dort auch Zeit zum Verpflegen. Was dann folgte hatte wohl mit den noch lockeren Beinen zu tun, denn ich konnte einen herrlich fluffigen Marathon laufen. Ich hatte ein Lächeln im Gesicht, kaum Schmerzen und durchgängig unter 6min/km auf der Uhr. In den Verpflegungsstellen nahm ich Tempo raus, aber selbst den Berg nach Büchenbach konnte ich hoch traben. Ab dem Marktplatz in Roth realisierte ich, was gleich passieren wird und konnte einfach nur noch heulen vor Freude. Ich hab mir Zeit gelassen, alle am Streckenrand zu knutschen, die es wollten, und lief einen 4h10min Marathon ins Ziel. Die Endzeit war mir ziemlich egal, wobei ich auf jede einzelne Minute stolz bin, die mein Körper und mein Geist mich diesen Sport haben machen lassen. Ich weiss, dass es nicht selbstverständlich ist und kann es nun viel besser würdigen.
Vielen Dank Holm, für die absolut treffsicheren Pläne und aufmunternden Worte. Ich danke sehr der Elisa Kammler, die meinen Körper mit ihren goldenen Händen seit 4 Jahren therapiert. Tell Wollert und Sven Perschneck haben im Frühjahr mit mir zusammen an meiner Beinachse gearbeitet und den fluffigen Marathon ermöglicht. Und natürlich danke ich meinem Herzblatt Alex, der irgendwie immer cool geblieben ist und dem ich jetzt wieder beim sporteln zuschauen darf.
Sag niemals nie - das weiss ich jetzt.
Zuletzt geändert am: 09.07.2018 um 07:28
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